Wann ist man Mensch, wann Maschine?

Laufen wir in Zukunft alle mit einem Chip unter der Haut herum? Sind wir dann Mensch oder Maschine? Diese Frage beschäftigt nicht nur Philosophen, sondern auch Wissenschaftler. Tatsächlich ist die Definition, wann man aufhört, Mensch zu sein, und beginnt, Maschine zu sein, ungeklärt. Im Zentrum steht die Frage, wer das letzte Wort hat. Denn wenn jemand anderes unsere Gedanken kontrollieren oder für uns Entscheide treffen würde, ginge das verloren, was einen Menschen zum Menschen macht.

Sind die Cyborgs schon unter uns?

Sind die Cyborgs schon unter uns?

Cyborgs sind längst keine reine Science Fiction mehr. Denn alle Menschen, in deren Körpern Technik als Ersatz oder Unterstützung integriert ist, sind im Grunde genommen Cyborgs. Das gilt auch für Hilfsmittel wie Linsen oder Herzschrittmacher. Grundsätzlich können sich alle Menschen als Cyborgs bezeichnen, die technisch optimiert sind. Der 3D-Druck von Organen ist bereits möglich. Warum also nicht einen Schritt weiter gehen?

Sind die Cyborgs schon unter uns?

Was wollen die Transhumanisten?

Transhumanisten wollen mehr als nur diesen einen Schritt weiter gehen. Das Ziel der transhumanistischen Bewegung ist die Befreiung des Geistes aus dem defizitären menschlichen Körper. Hinter diesem Gedanken steckt die Überzeugung, dass die menschliche Evolution an einem Punkt angelangt ist, an dem sie an ihren eigenen Fortschritt – also an die Technik – abgebeben werden soll. So sollen individuelle Defizite behoben und soziale Ungerechtigkeit beseitigt werden.

Warum will der Mensch überhaupt Gott spielen?

Es war schon immer ein Traum der Menschheit, unsterblich zu sein. Dieser Wunsch existiert schon weit länger, als es Comicbücher über Superhelden gibt. Erste Belege dafür lassen sich bereits im Gilgamesch-Epos (2000 v. Chr.) finden, in dem die Suche des Halbgottes Gilgamesch nach der Unsterblichkeit beschrieben wird. Doch wer dem Tod ein Schnippchen schlagen will, hatte bislang schlechte Karten. So lehrten schon die alten Griechen, dass einzig und allein die Götter über Leben und Tod entscheiden dürfen.

Wie begründet sind unsere Ängste?

Wie begründet sind unsere Ängste?

Die Angst vor künstlicher Intelligenz ist so alt wie die KI selbst. Sogar renommierte Wissenschaftler wie Stephen Hawking warnten davor, dass die Entwicklung einer Singularität – jenem Moment, an dem die KI so weit entwickelt ist, dass sie vollständig mit menschlicher Intelligenz verschmilzt – das Ende der Menschheit bedeuten könnte. Doch die Prognosen, welche Auswirkungen die Weiterentwicklung von KI und immer perfekteren Algorithmen auf uns haben werden, gehen weit auseinander: Vernichten wir uns selber oder findet am Ende doch eine Optimierung der Gesellschaft statt? Einig ist man sich, dass es ohne Regulierungen nicht gehen wird.

Wo ziehen wir die Grenzen? Und wer soll sie ziehen?

Wo ziehen wir die Grenzen? Und wer soll sie ziehen?

Körper und Geist perfektionieren, vielleicht sogar unsterblich werden – was soll daran falsch sein? Tatsächlich wirft die Entwicklung viele ethische und politische Fragen auf. Die Wissenschaft befindet sich an einem Wendepunkt, denn sie wird immer mehr Möglichkeiten haben, den Menschen zu «cyborgisieren». Gleichzeitig mehren sich die Forderungen nach Regulierungen. Denn Fortschritt sollte nicht bedeuten, dass alles, was möglich ist, auch geschieht – vor allem nicht, wenn man vorher nicht nachgedacht hat, wo man die Grenzen setzt. Doch wer entscheidet, wie weit man gehen darf? Klar ist: Die Welt befindet sich derzeit in einer Art KI-Rüstungswettlauf. Wer zu strenge Gesetze erlässt, läuft Gefahr, von Ländern überholt zu werden, die weniger regulieren. Und vergessen wir nicht, dass nicht nur neue Technologien reguliert werden müssen – auch der Mensch, der sie entwirft oder bedient, braucht Grenzen. Wo genau man diese ziehen soll, ist eines der zentralen Themen an der Volvo Art Session 2019, die dieses Jahr unter dem Motto «Human meets Digital» stattfindet.

Welche Köpfe treiben die Diskussion vorwärts?

Neil Harbisson (*)
gilt als erster Cyborg der Welt.
Neil Harbisson (*)
gilt als erster Cyborg der Welt.

Der Brite ist der bisher einzige Mensch, der von einer Regierung offiziell als Cyborg anerkannt wurde. Harbisson kann seit seiner Geburt nur schwarzweisse Töne sehen. 2004 liess er sich eine Antenne implantieren, die es ihm ermöglicht, Farben zu «hören».  Er sagt über sich: «Ich wollte keine Technologie tragen. Ich wollte keine Technologie nutzen. Ich wollte Technologie werden».

Gerd Leonhard (*)
ist einer der bedeutendsten Zukunftsforscher.
Gerd Leonhard (*)
ist einer der bedeutendsten Zukunftsforscher.

Er betont, die Gesellschaft müsse die Veränderungen akzeptieren. Doch er warnt auch: «Technik hat keine Ethik». Es sei die Aufgabe der Menschen, die sich aus dem Fortschritt ergebenden Fragen zu diskutieren. Etwa die, was Maschinen autonom können dürfen und was nicht.