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«Wir konsumieren die falschen Fische»

Wer Fisch essen möchte, ohne dem Klima zu schaden, sollte bei lokalen Berufsfischern einkaufen. Deren Fang ist nachhaltig und erweitert den kulinarischen Horizont.

«Buy local!» heisst eines der Schlagworte, wenn es um nachhaltige Ernährung geht. Und das kommt nicht von ungefähr. Neben einer umweltgerechten Produktion der Nahrungsmittel sind kurze Wege das A und O beim CO2-Sparen. Darum sieht Berufsfischer Sämi Weidmann aus Stäfa ZH in der Überfischung der Weltmeere längst nicht das einzige Problem des industriellen Fischfangs auf hoher See. «Was bei dieser Art der Fischerei bezüglich des CO2-Verbrauchs gehörig ins Gewicht fällt, ist die Verteilung der Ware.»

Sind Fischzuchten also die Lösung? «Bei uns unter den gegebenen Umständen nicht. Neben Flugware sind Zuchtfische momentan sogar am schädlichsten fürs Klima», erklärt Weidmann. «Produktion und Verteilung von Futtermitteln verursachen eine Menge Immissionen.» Was die Hochseeflotten an kleinen Fischen fangen, kommt erst einmal in die Fabriken, wo es verarbeitet, verpackt und schliesslich in die ganze Welt verschickt wird. Ausserdem braucht die Aufzucht der begehrten Speisefische eine Menge Fischeiweiss. Um ein Kilo Lachs zu produzieren, sind vier Kilo Futtermittel notwendig, beim inzwischen in komplexen Anlagen im Meer gezüchteten Thunfisch sind es pro Kilo Lebendgewicht sogar 20 Kilo.

Im Prinzip könne man aber auch Fischzucht CO2-sparend betreiben, räumt der  Berufsfischer vom Zürichsee ein. «Allerdings müssten sich dafür in der Schweiz und in den übrigen westlichen Industrienationen die Konsumenten für andere Fische interessieren. Für solche nämlich, die sich auch von Schnecken oder Muscheln und nicht nur von Fischeiweiss ernähren können. Die Karpfenartigen sind hier zu nennen.» Während es in China unzählige wirtschaftlich erfolgreiche und nachhaltige Zuchten für solche Fische gibt, war einem ähnlichen Projekt in der Schweiz kein Erfolg beschieden. Es fehlte schlicht und einfach an der Nachfrage. «Mit Blick auf die Umwelt muss man sagen: Wir konsumieren die falschen Fische», so Weidmann.

Die Schweizer Berufsfischer können derweil längst nicht so viele Egli, Zander oder Seeforellen auf den Markt bringen, wie nötig wären, um den Konsum von im Ausland gefangenem oder gezüchteten Fisch wie Wolfsbarsch, Seezunge, Lachs oder Saibling auf ein vernünftiges Mass zu reduzieren. Ihren Hauptverdienst verdanken sie den Felchen, die wegen des etwas weicheren Fleisches allerdings weniger beliebt sind als die zuvor genannten Edelfische. Für Weissfische wie Brachsmen oder Schwalen finden die meisten Fischer kaum Abnehmer. «Obwohl sie ausgezeichnet schmecken und man auch das Problem mit den Gräten ohne weiteres lösen kann», sagt Sämi Weidmann. «Letztlich lässt sich aus jedem Zürichseefisch etwas Gutes zubereiten.»

Dass der Berufsfischer recht hat, beweist der ebenfalls in Stäfa ZH beheimatete Meisterkoch Cäsar Meyer. In seinem von diversen Restaurantführern ausgezeichneten Lokal, dem Gasthof zur Sonne, bietet Meyer unter anderem Fischknusperli aus Schwalen an. «Für mich die besten Knusperli überhaupt», betont Weidmann. Tatsächlich wird niemand merken, dass er hier einen Fisch isst, gegen den es so viele Vorurteile gibt. Der Trick bei der Zubereitung von Schwalen: Man muss die feinen Gräten einschneiden, so stören sie beim Verzehr der Filets nicht mehr. Dass die Filets so an Spannung verlieren, spielt keine Rolle mehr, wenn man sie wie Meyer ausbäckt oder paniert.


Eine kleine Erfolgsgeschichte konnte Sämi Weidmann mit dem Brachsmen schreiben. «Kunden, die diesen Weissfisch einmal probiert haben, wollen in der Regel immer wieder. Heute haben wir eigentlich nie genug Brachsmen», erklärt er. «Die nach dem Parieren grätenfreien Stücke eigenen sich hervorragend für Fischragout mit Curry oder Weisswein. Jene, die noch Gräten enthalten, kann man durch den Wolf drehen und daraus Fischburger herstellen.» Inzwischen liegt der Anteil der Weissfische an den Fängen von Weidmann zwischen 20 und 30 Prozent. Es wäre schön, wenn sein Modell Schule machen würde – und gut für das Klima.

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